Es ist 6 Uhr morgens und plötzlich werde ich von einer Mischung aus Glockenläuten und Hundegejaule unsanft aus dem Schlaf gerissen. Ich gähne und bleibe noch eine halbe Stunde im Halbschlaf liegen, bevor mich mein Wecker endgültig zum Aufstehen zwingt.

Morgens ist es oft neblig und kalt – Lutindi bedeutet in etwa „Berg, der oft in dem Wolken hängt“

Kurz vor 7 Uhr laufe ich die wenigen Meter bis zu meinem Arbeitsplatz und bin wegen der Morgenkälte über meinen Pulli froh. „Habari za asubuhi?“(Wie ist dein Morgen?), werde ich begrüßt, woraufhin ich antworte „Nzuri, umeamkaje?“(Gut, wie bist du aufgewacht?) und ein „Salama“ (friedlich) zurückkommt.

Dann beginnt auch schon die Morgenandacht, die nach einer festen gesungenen Liturgie abläuft und bei der die Mitarbeitenden und Kranken dabei sind.

Weiter geht’s zu einem kurzen Teammeeting, in dem die letzte Nacht, Probleme und neue Patient:innen kurz besprochen werden und dann ist es auch schon Zeit für die Medikamentenausgabe.

Jede:r Patient:in hat einen kleinen Becher mit Tabletten auf einem Tablett und wird aufgerufen, um die Medikamente einzunehmen.

Nachdem alle versorgt sind, fülle ich die Becher für den nächsten Tag wieder auf und drücke endlos viele Tabletten aus dem Blister (mein Rekord sind inzwischen 100 Tabletten in 2:17 min & leider ist mein Zeigefinger dank unzähliger Minischnitte nicht mehr für TouchID zugebrauchen…).

Jetzt gehe ich schnell frühstücken und gönn mir ein Brot mit Kakaopulver (echt lecker!) bevor ich in meinen aktuellen Arbeitsbereich loslege. Bisher war ich schon in der Kiwanda (Sisalwerkstatt) bei der Beschäftigumgstherapie, im wardi ya wanawake (bei den Patientinnen) und bei den Ärzten dabei. Doch dazu später mehr, denn zu den einzelnen Bereichen werden noch Blogposts kommen.

Sonne gibt‘s aber auch 🙂

Gegen 10 Uhr unterbreche ich dann meinen Arbeitsflow für eine entspannte Chaipause, in der ich mit Evart, der in der Sisalwerkstatt arbeitet, Tee trinke und Mandazi und Erdnüsse oder Avocado esse und coole Gespräche führe, bei denen ich sehr viele neue Wörter lerne. Gestärkt geht’s dann motiviert bis 12 Uhr weiter.

Meine Mittagspause bis 13:30 nutze ich zum Essen, neu gelernte Wörter aufschreiben und Sonne genießen.

Dann bin ich wieder in meinem Arbeitsbereich und unterhalte mich währenddessen mit den Patienten, was für mich jedes Mal ein Erfolgserlebnis ist, wenn es auf Kiswahili klappt (oder notfalls mit einem Kiswahili-Englisch-Hand-&-Fuß-Mix). Heute allerdings gehen ich noch mit in die Musiktherapie, wo die Patient:innen Musik hören und tanzen können. Ich genieße den Beat und freue mich über einen Patienten, der hier voll in seinem Element ist und die ganze Zeit sein Grinsen nicht aus dem Gesicht bekommt.

Gegen 15:30 Uhr gibt es die abendliche Medikamentenausgabe, die genau wie morgens funktioniert. Bis ich alle Medikamente für den nächsten Tag aufgefüllt habe, mit den Ärzten nett geredet und erfolgreich alle mehr oder weniger ernst gemeinten Versuche mich zu einer Runde Antipsychotika überreden zu lassen, abgewehrt habe, ist es zwischen 16:30 und 17 Uhr und mein Arbeitstag beendet.

Ich nehme mir kurz Zeit um mit den Welpen in der Abendsonne zu spielen und gehe dann in die Chorprobe, was mir sehr viel Spaß macht. Nachdem ich Workout und Vokabeln lernen abgehakt habe, muss jetzt noch ein bisschen Gemütlichkeit sein. Ich kuschle mich mit meiner Fleecedecke in den bequemsten Sessel aller Zeiten und lese, bis mein Gähnen ungeahnte Ausmaße annimmt.

Es ist kurz vor 22 Uhr und ich falle komplett müde ins Bett.

Tja so, oder so ähnlich sehen die meisten meiner Tage aus. Nach tatsächlich schon fünf Wochen in Lutindi  hat sich mittlerweile so etwas wie Alltag eingestellt, auch wenn jeder Tag anders ist und ich immer viel Neues sehe und lerne. Dafür bin ich unfassbar genauso für die Herzlichkeit mit der ich aufgenommen wurde.

 

>> Bitte denk beim Lesen daran, dass dieser Blogbeitrag nur meine subjektive Sicht und Erlebnisse darstellt und kein ganzheitliches Bild von Tansania oder „Afrika“ widerspiegelt. <<

2 Responses

  • Daniela Richter

    Hallo liebe Johanna!
    Danke fürs Teilen Deiner Eindrücke!

    Ich bin begeistert, dass du mittlerweile schon kurze Gespräche führen kannst- alle Achtung😎👍🏼.

    Es hört sich nach einem gut ausgefüllten, aber nicht schlecht strukturierten Tagesablauf an.
    Schön finde ich daß Du in die verschiedenen Bereiche schon hineinschnuppern konntest und bin gespannt auf Deine weiteren Berichte.
    Klasse, daß Du auch solche Dinge wie Sonne tanken, den bequemsten Sessel der Welt und das Spielen mit den Welpen in den Alltag einbauen kannst und bisweilen auch die Freude der Patienten erlebst.

    Ich schicke Dir ganz liebe Grüße aus der kalten Mössinger Ecke, heute nacht hatten wir zum ersten Mal Frost und teilen Deine Gedanken über Pullover und ähnliche Dinge 😊😉
    Daniela Richter

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  • Hans-Jürgen

    Hallo Johanna,
    Schön zu hören was du erlebst und berichtest. Ich wünsche dir weiterhin eine prima Zeit und wertvolle Erfahrungen dort vor Ort. In deinem Glauben und mit den Menschen.
    Gestern hatten wir Hauskreis und haben für Dich ind andere junge Leute gebetet.
    Lieber Gruß aus dem herbstlichen Mössingen, Hans-Jürgen

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